Simon Wilson wurde im März 2025 zum Chief Executive Officer (CEO) von Markel Insurance ernannt. Seinen Einstieg bei Markel hatte er im Jahr 2010 mit dem Auftrag, die internationale Geschäftsentwicklung der Versicherungsgruppe voranzutreiben. Zuvor war er sieben Jahre bei Lloyd’s tätig. Aufgrund seiner internationalen Expertise spielte er eine zentrale Rolle bei der Expansion von Markel International und verantwortete den erfolgreichen Ausbau der Geschäftsaktivitäten in Europa, Kanada und Asien.
Wilson verfügt über ein ausgeprägtes Verständnis für die kulturellen Unterschiede und Risikoprofile der jeweiligen Märkte. Dennoch verfolgt er einen klaren und konsistenten Erfolgsansatz in der Versicherungsbranche: „Verstehen Sie die Bedürfnisse Ihrer Kunden und übertreffen Sie ihre Erwartungen.“ Als CEO von Markel Insurance hat er sich zum Ziel gesetzt, die Geschäftsprozesse des Unternehmens zu vereinfachen und effizienter zu gestalten.
Im Januar 2020 wurde Wilson zum Managing Executive of Global Strategy bei Markel berufen. Im darauffolgenden Jahr übernahm er die Position des Präsidenten von Markel International. Vor seinem Wechsel zu Markel leitete er die Asienplattform von Lloyd’s in Singapur.
Die Markel Group mit Sitz in den Vereinigten Staaten ist eine diversifizierte Unternehmensgruppe mit Schwerpunkt im Bereich Versicherung. Ihr Kerngeschäft reicht von Gewerbe- und Industrieversicherung, Spezialversicherung, Rückversicherungen bis hin zu Versicherungsverbriefungen über Nephila und die Portfolioschutzsparte State National.
Das Versicherungsgeschäft in den USA ist am stärksten ausgeprägt. Dennoch verfügt Markel über eine umfassende internationale Präsenz mit Niederlassungen und Tochtergesellschaften in acht europäischen sowie sechs asiatischen Ländern. Das Unternehmen verfolgt das strategische Ziel, sich im oberen Marktsegment zu positionieren und setzt dabei auf eine Philosophie der Vereinfachung und Dezentralisierung.
Simon Wilson betont, dass es derzeit noch verfrüht sei, den genauen Einfluss Künstlicher Intelligenz auf die Versicherungsbranche abschließend zu beurteilen. Es seien aber zahlreiche kleinere Initiativen im Gange, die langfristig einen transformativen Effekt entfalten könnten. Die Methoden zur Risikobewertung und -quantifizierung haben sich grundlegend gewandelt. Selbst in traditionell geprägten Geschäftsbereichen wie der Transportversicherung kommen zunehmend datenbasierte Analysen zum Einsatz, um Underwriting-Prozesse zu unterstützen. „Dank der exzellenten Aufstellung unserer Mitarbeitenden entstehen innovative Lösungen aus allen Bereichen des Unternehmens.“, hebt Wilson hervor.
Michał Trochimczuk: Die vergangenen 25 Jahre – welche technologischen Entwicklungen waren aus Ihrer Sicht für die Versicherungsbranche am bedeutendsten, und welche Auswirkungen hatten sie auf das Geschäft von Markel?
Simon Wilson: Eine der wesentlichsten Entwicklungen betrifft die Art und Weise, wie Risiken heute quantifiziert und bewertet werden. Moderne versicherungsmathematische Methoden zur Preisgestaltung und zum Portfoliomanagement, der Einsatz von Katastrophenmodellen sowie neue Datenquellen – etwa durch das Internet der Dinge (IoT) – haben die Arbeitsweise von Underwritern grundlegend verändert. Diese verfügen heute über deutlich leistungsfähigere Werkzeuge, die fundierte und schnellere Entscheidungen ermöglichen. Ein anschauliches Beispiel ist die Transportversicherung, die traditionell eher konservativ geprägt war. Heute können wir die Routen sämtlicher versicherter Schiffe in Echtzeit verfolgen und nutzen fortschrittliche Analysen, um datenbasierte Entscheidungen zu treffen.
Michał Trochimczuk: Die Gegenwart ist geprägt von geopolitischen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen. Welche dieser Entwicklungen sind für Markel besonders relevant, und wie begegnen Sie ihnen?
Simon Wilson: Angesichts der zunehmenden globalen Risiken sehen wir uns bei Markel in der Verantwortung, innovative Lösungen zur Risikobewältigung zu entwickeln. Derzeit stehen wirtschaftliche Risiken besonders im Fokus. Dennoch bieten wir in allen genannten Bereichen gezielte Produkte an: Seekriegsversicherungen zur Absicherung geopolitischer Unsicherheiten, Handels- und Bürgschaftsversicherungen zur Minderung wirtschaftlicher Risiken sowie ein wachsendes Portfolio im Bereich erneuerbare Energien. Darüber hinaus evaluieren wir Produkte zur Absicherung von Batteriespeichern, um die Energiewende aktiv zu unterstützen.
Michał Trochimczuk: Ein Blick in die Zukunft – welche Entwicklungen werden die Versicherungsbranche in den kommenden 25 Jahren maßgeblich prägen? Welche Erwartungen haben Sie für Markel, insbesondere im Hinblick auf technologische Innovationen wie KI, IoT oder Quantencomputing?
Simon Wilson: Es ist derzeit noch zu früh, um die langfristigen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf unsere Branche abschließend zu bewerten. Dennoch haben wir bei Markel frühzeitig auf diese Technologie gesetzt. So waren wir weltweit das erste Versicherungsunternehmen, das Microsoft 365 Co-Pilot unternehmensweit eingeführt hat – mit einer beeindruckenden Akzeptanzrate von über 60 %. Erste Produktivitätsgewinne sind bereits erkennbar. Der eigentliche Mehrwert liegt jedoch darin, dass unsere Mitarbeitenden ein tiefes Verständnis für die Potenziale von KI entwickeln und lernen, wie diese unsere Arbeitsweise transformieren kann.
Unsere Strategie basiert darauf, technologische Innovationen dezentral zu fördern. Lösungen entstehen nicht aus zentral gesteuerten IT-Projekten, sondern aus der Initiative einzelner Teams. So entwickelt beispielsweise ein Teilnehmer unseres Graduiertenprogramms in Leeds einen Chatbot für Underwriting-Richtlinien, während ein Praktikant in Toronto Modelle zur Antragsbearbeitung erstellt. Ich erwarte keine abrupte Revolution, sondern einen kontinuierlichen Wandel, der durch die gezielte Anwendung von Technologie auf konkrete Herausforderungen vorangetrieben wird.
Michał Trochimczuk: Welche Ziele verfolgt Markel mit der Einführung von Guidewire ClaimCenter, und inwiefern erwarten Sie Verbesserungen hinsichtlich Effizienz und strategischer Zielerreichung?
Simon Wilson: Wir sind stolz auf die hohe Qualität unseres Schadenservices, die mehrfach ausgezeichnet wurde. Um diesen Standard auch bei weiterem Wachstum aufrechtzuerhalten, benötigen unsere Schadenbearbeiter moderne Werkzeuge und verlässliche Daten. Derzeit arbeiten sie mit einer Vielzahl unterschiedlicher Systeme. Die Einführung eines einheitlichen Systems wie Guidewire ClaimCenter wird sowohl die betriebliche Effizienz als auch die Entscheidungsqualität deutlich verbessern.
Besonders relevant ist dies für unsere Aktivitäten außerhalb Londons, etwa im asiatisch-pazifischen Raum, wo wir nicht von marktweiten Workflows wie Electronic Claims Facility 2 (ECF2)[1] profitieren. ClaimCenter wird uns eine leistungsfähige Plattform bieten, um Schadensfälle effizient zu verwalten.
Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die Möglichkeit, fortschrittliche Analysen im Bereich Schadenmanagement zu etablieren. Während unsere Underwriting-Teams bereits von datengetriebenen Erkenntnissen profitieren, ist dieser Bereich in der Schadenbearbeitung noch
unterentwickelt. ClaimCenter wird uns die nötige Datenbasis liefern, um auch hier neue Maßstäbe zu setzen.
Michał Trochimczuk: Wie gestalten Sie Ihre Rolle als neu ernannter CEO, und wie stellen Sie sicher, dass Ihre Führungsphilosophie im gesamten Unternehmen verankert wird?
Simon Wilson: Mein Führungsstil basiert darauf, talentierte Mitarbeitende zu identifizieren, sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen und ihnen Verantwortung zu übertragen. Ich bin überzeugt, dass dieser Ansatz unabhängig von der jeweiligen Position im Unternehmen auf breite Zustimmung stößt. Menschen möchten für ein Unternehmen tätig sein, das sie fördert und ihnen Raum zur Entfaltung bietet.
____________________________________________
[1] Mit der elektronischen Schadenakte ECF2 können Lloyd's-Versicherer Schadenfälle elektronisch über ein zentrales System prüfen und bearbeiten.